Definition: Schwäche der Eierstöcke, in deren Folge zu wenig Östrogene gebildet werden. Die Eizellen reifen oft nicht vollständig aus und es bleiben immer mehr Eisprünge aus. Dadurch kommt es auch zu selten zur Bildung von Gelbkörpern und es mangelt an Gelbkörperhormon (Progesteron). In Relation zu den weiblichen überwiegen oft die männlichen Steroidhormone.

Synonyme: Polyzystisches Ovarial-Syndrom, PCOS, früher: „Stein-Leventhal-Syndrom“

Klassifikation ICD-10:

Häufigkeit: bis zu 12% aller Frauen in Europa; eine der häufigsten Erkrankungen und Sterilitätsursachen bei prämenopausalen Frauen

Diagnosekriterien

Diagnosekriterien des PCOS (nach der internationalen Konsensus-Konferenz in Rotterdam, 2003):

  • Oligo- und/oder Anovulation
  • Hyperandrogenämie  und/oder klinische Zeichen der Androgenerhöhung in Form von Virilisierungserscheinungen wie Hirsutismus, Akne und Alopezie. 
  • polyzystische Ovarien im Ultraschall
  • Ausschluß anderer Ursachen wie (z. B. Cushing-Syndrom, Late-Onset-AGS [adrenogenitales Syndrom], androgenproduzierende Tumore

Ursachen

In der Schulmedizin gilt die Ursache des PCO-Syndroms als nicht bekannt. Eine wesentliche Rolle scheinen die Insulinresistenz und die verstärkte Androgenwirkung zu spielen.

Pathophysiologie

Insulin hat einen potenten Effekt auf die körpereigene Androgenbildung. Zum einen stimuliert es direkt die Thekazellen des Ovars zur Androgensynthese [9], zum anderen unterdrückt es die Bildung von sexualhormonbindendem Globulin (SHBG) in der Leber (Abb. 1). In der Folge nimmt der Anteil des freien, biologisch aktiven Androgens zu [10], wobei die Höhe des Androgenspiegels mit dem Ausmaß der Hyperinsulinämie korreliert. Mögliche klinische Zeichen der vermehrten Androgenproduktion sind Virilisierungserscheinungen wie Hirsutismus, Akne und Alopezie.
 

Symptome

  • Häufiges oder gänzliches Ausbleiben der Regelblutung
  • unerfüllter Kinderwunsch
  • Ansätze von männlichem Haarwuchs (Hirsutismus), Glatzenbildung am Kopf
  • Akne
  • oft (aber nicht immer!) Gewichtsprobleme (Etwa 25% der PCOS-Patientinnen sind übergewichtig, ungefähr 40% adipös)

Diagnostik

Ultraschalluntersuchung beim Gynäkologen:

→ meist vergrößerte Ovarien mit
zahlreichen, meist randständig (perlschnurartig) angeordneten atretischen Follikelzysten

 

Hormonbestimmungen:

  • Östrogene
  • Progesteron
  • LH ↑ (durch höhere Amplitude und pulsatile Frequenz der Gonadotropin-Releasing-Hormon-Freisetzung)
  • FSH normal o. leicht erniedrigt
  • LH/FSH-Quotient >2
  • Insulin

Risikoerhöhung für

  • bis zu 3fach erhöhte Abortrate
    (Erstaunlicherweise fanden sich bei PCOS-Patientinnen mit Schwangerschaftseintritt nach assistierter Reproduktion (ART) gegenüber Patientinnen ohne PCOS nach ART keine Unterschiede im Abortrisiko)
  • Diabetes mellitus
  • Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Hashimoto-Thyreoiditis)
  • Herzinfarkt, Schlaganfall
  • Depression
  • Die dauerhaft unkontrollierte Stimulation des Endometriums durch Estrogene ohne adäquate Transformation bei anovulatorischen Zyklen kann zu einer Endometriumhyperplasie führen, die mit einem erhöhten Risiko für ein Endometriumkarzinom einhergeht [15].

Behandlungsmöglichkeiten

Grundlegende Basismaßnahmen

Gewichtsreduktion bei Übergewicht

Allein durch eine Gewichtsabnahme von 5% des Körpergewichts kann es zu einer Zyklusnormalisierung mit Ovulationen, Senkung der Androgenspiegel und spontanen Konzeptionen bei PCOS-Patientinnen kommen.

Entscheidend ist hierbei vor allem die konsequente (durch einen erfahrenen Ernährungstherapeuten begleitete) Ernährungsumstellung mit Verzicht auf zunächst alle Getreidesorten, Zucker, Kartoffeln, Reis und tierische Fette!

Bewegung

Nicht nur bei Übergewicht ist regelmäßige sportliche Bewegung unerläßlich zur Besserung der Insulinresistenz und zur Vermeidung weiterer Risiken!

schulmedizinische Therapie

ohne Kinderwunsch

Kontrazeptiva

(geordnet nach abnehmender Potenz der antiandrogenen Wirkung):

Cyproteronacetat (z.B. in Diane 35®, Bella Hexal35®)
Dienogest (z.B. in Valette®, Lafamme®)
Drospirenon (z.B. in Yasminelle®, Petibelle®, Angeliq®)
Chlormadinonacetat (z.B. in Balanca®, Belara®, Neo-Eunomin®)

Drospirenon (in Yaz® in Kombination mit einer niedrigen Ethinylestradiol-Dosierung); Einnahmeschema: Über 24 Tage werden Tabletten mit einer Estrogen-Gestagen-Kombination eingenommen, anschließend folgt über 4 Tage die Einnahme von Plazebo, so dass keine „Pillenpause“ gemacht werden muss. Einen Vorteil stellt die Verringerung des prämenstruellen Syndroms dar [16].

Reduzierung der Akne oder Verbesserung des Hirsutismus kann erst nach einer Behandlungsdauer von 3 bis 6 Monaten erwartet werden.

Bei Kontraindikationen gegen eine Estrogeneinnahme ist die kontinuierliche Gabe eines Gestagen-Monopräparats möglich.

→ Lediglich Cerazette® beeinflusst aufgrund der ovulationshemmenden Dosis die hypophysäre Achse und damit die Hyperandrogenämie.

→ Niedrig dosierte Gestagen-Monopräparate (z. B. Mini 28®) haben diesen Effekt nicht. Sie schützen jedoch vor einer Endometriumhyperplasie.

Kontrazeptiva + Antiandrogene Gestagene

Persistiert der Hirsutismus trotz Therapie mit einem oralen antiandrogenen Kontrazeptivum, so kann zusätzlich ein Antiandrogen, beispielsweise das Gestagen Cyproteronacetat in Kombination mit einem oralen Kontrazeptivum zum Einsatz kommen.
Antiandrogene Kontrazeptiva enthalten bis max. 2 mg Cyproteronacetat, Antiandrogene 10 bis 50 mg.

Antiandrogene:

  • Androcur® 10 mg
  • Androcur® 50 mg
  • Cyproteronacetat-GRY® 50 mg
  • Virilit®

CAVE:

  • Bei Einnahme einer solchen Substanz muss auf eine wirksame Verhütung geachtet werden!
  • Die Medikation sollte nicht länger als ein Jahr eingenommen werden.
  • Nebenwirkungen wie Libidoverlust, Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und Metrorrhagien können sehr ausgeprägt sein.

Spironolacton

  • Aldosteronantagonist mit antiandrogener Wirkung
  • hemmt die adrenale und ovarielle Bildung von Androgenen
  • bindet am Androgenrezeptor
  • wirkt als Hemmer der 5α-Reductase
  • induziert die Bildung von SHBG in der Leber.

Spironolacton zeigt eine effiziente Wirkung gegenüber Virilisierungserscheinungen, jedoch sollte es bei der Behandlung von PCOS-Patientinnen zur Verbesserung der metabolischen Situation mit einem anderen Medikament kombiniert werden.

CAVE:

  • Off-label-use: In Deutschland ist Spironolacton zur Behandlung von Hyperandrogenämie und Hyperandrogenismus derzeit nicht zugelassen.

Metformin

Bei übergewichtigen PCOS-Patientinnen ohne Kinderwunsch, bei denen Kontraindikationen gegen eine orale Antikonzeption (z. B. Thrombophilie) vorliegen und eine Insulinresistenz nachgewiesen ist, stellt Metformin eine Therapiealternative dar.

Metformin hat zudem einen appetitsenkenden Effekt, was sich positiv auf das Ziel der Gewichtsreduktion auswirken kann.

Immer einschleichend dosieren, um GIT-NW zu vermeiden o. zu reduzieren.

CAVE:
  • Off-label-use: In Deutschland ist Metformin zur Behandlung von Hyperandrogenämie und Hyperandrogenismus derzeit nicht zugelassen.
Kontraindikationen Metformin:
  • Diabetische Ketoacidose, diabetisches Präkoma
  • Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance < 60 ml/min)
  • Akute Zustände, die zur Beeinträchtigung der Nierenfunktion führen können (z.B. Dehydratation, schwere Infektion, Schock)
  • Erkrankungen, die zur Gewebehypoxie führen können (z.B. kardiale/respiratorische Insuffizienz, frischer Myokardinfarkt, Schock)
  • Leberinsuffizienz
  • Alkoholismus und akute Alkoholintoxikation
  • i. v.-Applikation jodhaltiger Kontrastmittel
  • Überempfindlichkeit gegen Metforminhydrochlorid
  • Stillzeit

bei Kinderwunsch

Metformin

Trotz einer Verbesserung der Stoffwechsellage und Ovulationsinduktion zeigen neuere Daten keine Zunahme der Schwangerschaftsraten und Lebendgeburten bei einer Monotherapie mit Metformin [22].
Durch eine präkonzeptionelle Therapie mit Metformin konnte keine Reduktion des Abort-Risikos erreicht werden [25].
Allerdings gibt es inzwischen einige Daten, die zeigen, dass eine Metformin-Therapie während der Schwangerschaft zu einer Reduktion der Abortrate führt [23, 24].

Aufgrund der bislang noch kleinen Fallzahlen sowie der strengen Indikationsstellung für Metformin in der Schwangerschaft gibt es aktuell noch keine allgemeine Empfehlung zum Einsatz von Metformin bei schwangeren PCOS-Patientinnen, so dass die Medikation nach Eintritt einer Schwangerschaft abgesetzt werden sollte.

CAVE:
  • Off-label-use: In Deutschland ist Metformin zur Behandlung von PCOS mit Kinderwunsch derzeit nicht zugelassen.
Kontraindikationen Metformin

s.o.

Clomifen

Eine Stimulationsbehandlung mit Clomifen ist die Therapie der Wahl zur Ovulationsinduktion bei PCOS-Patientinnen. Clomifen ist ein Antiestrogen, das durch Blockade der Estrogenrezeptoren im Hypothalamus den negativen Rückkopplungseffekt der Estrogene aufhebt. In der Folge wird vermehrt Gonadoliberin freigesetzt, was zu einer erhöhten Gonadotropinausschüttung führt. Clomifen wird in einer Dosierung von 50 mg bis maximal 150 mg/Tag über 5 Tage verabreicht. Die Einnahme wird bevorzugt am 3., 4. oder 5. Zyklustag begonnen. Unerwünschte Arzneimittelwirkung ist die antiestrogene Wirkung an Endometrium und Zervixschleim. Diese Effekte nehmen bei Dosiserhöhungen zu [26]. Bei einer früheren Einnahme im Zyklus scheint die antiestrogene Wirkung weniger ausgeprägt zu sein. Nach etwa 6 Zyklen ist mit einer Geburtenrate von lediglich 40 bis 50% zu rechnen [27], obwohl eine Ovulationsinduktion bei 70 bis 85% der PCOS-Patientinnen erreicht wird [28]. Diese Diskrepanz scheint auf den antiestrogenen Effekt des Clomifens an Endometrium und Zervixschleim zurückzuführen zu sein. Ein Ultraschallmonitoring des Clomifen-stimulierten Zyklus ist obligat:

zum Ausschluss eines polyfollikulären Wachstums mit dem Risiko einer höhergradigen Mehrlingsschwangerschaft
zur Bestimmung von Follikelwachstum und Endometriumdicke, um den Zeitpunkt der Ovulationsinduktion und des Geschlechtsverkehrs festlegen zu können.
Neben der Verwendung von Clomifen bei der normalgewichtigen Frau ohne Insulinresistenz zur Unterstützung der Follikelreifung ist der Arzneistoff auch bei PCOS-Patientinnen mit nachgewiesener Insulinresistenz und Hyperinsulinämie, die auf einen Therapieversuch mit Metformin nicht angesprochen haben, der nächste Therapieschritt. Eine weitere Einsatzmöglichkeit für Clomifen ist die ältere PCOS-Patientin mit reduzierter ovarieller Reserve, bei der eine Metformin-Therapie und die Veränderung der Lebensgewohnheiten zu viel Zeit in Anspruch nehmen würden.

Kommt es nach Clomifen-Gabe – selbst nach Dosiserhöhung – nicht zur Follikelreifung („Clomifen-Resistenz“) oder wird trotz adäquaten Ansprechens nach 3 bis 6 Zyklen Clomifen-Einnahme keine Schwangerschaft erzielt, so sollte auf eine andere Therapie übergegangen werden.


[Quelle: https://www.arzneimitteltherapie.de/heftarchiv/2009/06/therapie-des-polyzystischen-ovarsyndroms-pcos.html#]

in Erprobung

Statine

Als neuere Therapieansätze sind die CSE-Hemmer (Statine) zu nennen, die durch Hemmung der HMG-CoA-Reductase vor allem die Dyslipoproteinämie, aber auch die Hyperandrogenämie und die Hyperinsulinämie beeinflussen. Aktuell laufen mehrere Studien zur Effektivität und Sicherheit dieser Therapie.

Naltrexon

Ein weiterer interessanter Therapieansatz ist der Einsatz des Opioid-Rezeptorantagonisten Naltrexon bei Clomifen-resistenten Patientinnen. Hier zeigte sich eine Reduktion des Body-Mass-Index (BMI), des Insulinspiegels, des LH-Serumlevels und der Hyperandrogenämie. Vor allem in Verbindung mit Clomifen konnten zahlreiche Schwangerschaften erfolgreich ausgetragen werden [30]. Auch hier stehen prospektiv randomisierte Daten aus.

PCO-Syndrom